Ängste – Wie geht man damit um
Vorweg, ein unsicherer Hund, beziehungsweise ein Angsthund sollte nicht in Anfängerhände vermittelt werden. Ideal ist immer eine individuelle Beratung.
Ein Hund, der ins Fluchtverhalten geraten könnte, darf natürlich nicht losgelassen werden. Er ist unkalkulierbar. Ein Ableinen wäre fatal, vor allem, wenn er mit der Bezugsperson noch nicht allzu bekannt ist. Jedes Geräusch, andere Hunde und Menschen würden den Hund die Flucht ergreifen lassen. Diese verläuft meist panisch und kopflos und in Folge sind die Ängste noch größer. Bitte führen Sie den Hund mit Brustgeschirr (hinter dem Brustkorb verlaufend) und Halsband. Dies gibt dem Hund mehr Halt, damit mehr Sicherheit und Ihnen die Möglichkeit zur besseren Kontrolle.
Die Leinenführung soll ohne Zug auf das Halsband über das Brustgeschirr erfolgen. Zug auf dem Halsband überträgt Anspannung. Starker Zug beeinträchtigt die Luftzufuhr. Gefühltes Unwohlsein oder sogar Schmerz werden mit dem Erlebten negativ verknüpft. Wenn keine Doppelsicherung mehr erforderlich ist, sollte Ihr Hund daher weiter über das Brustgeschirr geführt werden und mit einer mindestens 3 Meter langen Leine.
Schnell findet man heraus, was der Hund als beängstigend empfindet (und da gibt es vieles: Autos, Männer, Kinder, laute Geräusche, Hunde, u.s.w. ). Bitte nicht den Hund mit der „Gefahr” bedrängen, ihn animieren dort hinzugehen, um ihn dann bei bestandener „Prüfung” übertrieben zu loben oder gar zu trösten. Dadurch bekommt der Hund suggeriert, dass da tatsächlich etwas ist, was Angst einflößend sein könnte. Die Ängste potenzieren sich, der Hund ist in seiner Skepsis bestätigt.
Bögen laufen hilft Ihrem Hund ungemein – insbesondere bei Hundebegegnungen: Bei „Gefahren” lieber einen für ihren Hund ausreichenden Schlenker in gleich bleibend ruhigem Tempo in Kauf nehmen, um den Hund nicht im Würgegriff hinter sich her ziehen zu müssen. Als vorangehendes, souveränes „Leitwolf” signalisiert man dem Hund so: „Alles ist OK!” Vermeiden Sie alle Situationen und Umgebungen, die Ihren Hund stark ängstigen. Die dadurch ausgeschütteten Stresshormone werden über Tage abgebaut und verzögern weitere Lernfortschritte. Vielleicht braucht Ihr Hund auch Zeit, um den Angstauslöser aus sicherem Abstand zu betrachten. Nur so kann er sich damit auseinandersetzen und lernen, dass keine Gefahr besteht.
Man ist mit einem gut sozialisierten Ersthund immer im Vorteil. Ist dieser nicht „zur Hand”, findet sich vielleicht ein Hundehalter/in mit selbstbewusstem und ruhigem Hund, welche mit einem üben möchte. Mit gestellten Situationen und geeigneten Figuranten kann man nach der Eingewöhnungszeit systematisch versuchen Ängste abzubauen. Der zweite Hund hilft über das Gröbste hinweg und schirmt den ängstlichen Hund durch splitten ab. Das können auch Sie tun. Nach und nach wird mehr Selbstbewusstsein aufgebaut. Dafür braucht man vor allem Geduld. Der Abbau von Ängsten kann lange dauern, zumal manche Hunde unter mehreren Angstauslösern leiden. Fortschritte erfolgen demnach in kleinsten Schritten.
Beachten Sie auch Ihr eigenes Verhalten: Besonders bei den „Angstnasen” besteht die Gefahr der: „Oh, der arme Hund hatte ja solch ein schlimmes Leben!”-Einstellung. Doch auch ein ängstlicher Hund ist und bleibt ein Hund, der auch so gehändelt werden möchte. Es gilt jetzt, ihm ein artgerechtes Leben zu bieten, an vielleicht vorhandenen Problemen zu arbeiten und keine Neuen zu entwickeln. Bieten Sie ihm Sicherheit, Geborgenheit und ein ruhiges Zuhause.
Beschwichtigungssignale-Signale erkennen
Alle Hunde mit normal freundlichem Verhalten zeigen Beschwichtigungssignale – grundlegende Kommunikation unter Hunden – Angsthunde zeigen sie besonders häufig.
- Den Kopf abwenden – der Hund dreht seinen Kopf entweder zu einer Seite und hält ihn dort, oder aber er wechselt langsam von einer Seite auf die andere. Diese Bewegung kann nur schwer sichtbar sein oder aber auch extrem übertrieben vorkommen.
- Auch wir können dieses Signal wunderbar einsetzen. Wenn man sich dem Hund nähert – der sich dabei offensichtlich unwohl oder gestresst fühlt – bewegt man sich langsam und nie frontal auf den Hund zu und wendet den Kopf ab oder bewegt ihn von einer Seite auf die andere – langsam. Gleichzeitig geht man einen kleinen Bogen.
- Den Blick abwenden – „Vor Angst erstarrte” Hunde nutzen dieses Signal. Sie sind so unsicher, dass sie total erstarren. Für sie ist ein Kopf abwenden schon zuviel. Sie arbeiten mit den Augen. Besucher sollten Ihren ängstlichen Hund daher möglichst ignorieren. Sehen Sie einem ängstlichen Hund nicht in die Augen. Er empfindet dies als bedrohlich. Blicken Sie stattdessen auf die seitliche oder hintere Körperpartei. Blickkontakt mit dem Menschen ist ein Zeichen des Vertrauens und darf nicht erzwungen werden.
- Den Körper abdrehen – der Hund dreht seinem Gegenüber die Seite oder das Hinterteil zu. Dieses Zeichen ist extrem deutlich und wird daher meist gezeigt, wenn anderes nicht gewirkt hat oder aber der Hund sich überrumpelt fühlt.
- Wenn ein Hund sehr erregt scheint, kann man das eigene Abdrehen des Körpers einsetzen. Bei einer extrem stürmischen Begrüßung des Hundes macht man dies automatisch: durch das Abwenden zeigen wir das Signal, um unseren Hund zu beruhigen. Dies funktioniert genauso bei einem Angsthund, damit signalisiert man: keine Gefahr! An sehr ängstlichen Hunden geht man daher mit abgewendetem Körper vorbei.
TRENNUNGSANGST
Trennungsängste haben meistens die Hunde, die eine traumatische Situation während des Alleinseins erlebt haben bzw. die allein gelassen oder ausgesetzt wurden.
Auch wenn der Hund nie gelernt hat allein zubleiben, oder aber bei sensiblen Tieren mit besonders starker Bindung zu ihren Besitzern, können Verlustängste auftreten.
Das alleingelassene Tier bekommt Stress, der sich in körperlichen Symptomen äußert: Herzrasen, vermehrter Speichelfluss, unkontrollierter Kot- und Harnabsatz, Erbrechen u.a.
Dieser wird durch stressabbauende Verhaltensweisen zu kompensieren versucht:
- Zerbeißen von Gegenständen
- Kratzen und Beißen an der Haustür/ an Fenstern
- Verlust der Schließmuskel-Kontrolle
- langandauerndes Bellen, Weinen, Winseln
Menschliche Wertvorstellungen wie: der Hund bellt, weil er „protestiert” und seine Menschen nur für sich will und/ oder er zerstört, weil er sich „rächen“ will („Rache” gibt es im Verhaltensrepertoire von Hunden nicht), sind hierbei fehl am Platz.
Ein Unterwürfigkeitsverhalten zeigt der Hund, weil er bei Wiederkehr in genau dieser Situation gestraft/getadelt wurde (vom Halter wird es gern interpretiert als: „Er weiß ganz genau, was er gemacht hat”). Strafen schüren folglich weitere Ängste und Unsicherheiten, zB die vor der Rückkehr von Frau/Herrchen.
Ziel muss es also sein: Beim Alleinsein tritt kein Stress-Zustand mehr auf!
1: Im Haus sollte öfters eine kurze Trennungssituation schaffen. Das Zimmer in dem Sie sich mit dem Hund befinden, wird von der Bezugsperson verlassen, der Hund muss kurz hinter verschlossener Tür warten muss (bitte kurze Zeitspanne – je nach Trennungsangst fängt man mit Sekunden an – und nicht lauschend hinter der Türe stehen bleiben). Wichtig ist dabei, dass man möglichst bevor der Hund Stressverhalten zeigt, wieder hereinkommt und sich völlig gelassen verhält.
2: Der Hund darf Ihr Kommen und Gehen nicht zu aufregend finden
- Unauffällige Weggehen, damit ist gemeint: keine stundenlangen Abschiedszeromonien – Hunde untereinander kennen keine Abschiedsszenen.
- Schlüssel öfters nebenbei in die Hand nehmen und nach kurzer Zeit wieder hinlegen ohne weg zu gehen (= Signal „Schlüssel” entkoppeln).
- Jacke und/oder Schuhe anziehen, ohne weg zu gehen (= Signal „Anziehen” entkoppeln)
- Vor dem Alleinlassen, sollte der Hund genügend Bewegung gehabt haben und müde sein. Jedoch sollte zwischen dem letzten Spaziergang und dem Weggehen ein ausreichender zeitlicher Abstand von mind. 30 Min. sein. In dieser Zeit soll der Hund zur Ruhe kommen und keine besondere Aufmerksamkeit mehr erhalten
- Fernseher oder Musik beim Alleinsein laufen lassen, wenn sie auch sonst täglich eingeschaltet sind (= Signal „alles ist wie immer”). Ziehen Sie ggf. die Vorhänge zu oder lassen Sie Rollos hinunter. Das sorgt für zusätzliche Ruhe.
- Nach-Hause-Kommen: Keine stürmische Begrüßung tolerieren (anspringen ignorieren, d.h. wegdrehen, Arme verschränken, nichts sagen, wegschauen warten bis Hund sich beruhigt hat dann Lob ruhige Begrüßung). Erstens würde der Hund die Kinder bei solch einer Begrüßung schlichtweg umhauen und zweitens sollte ihre Heimkehr etwas ganz normales sein und keine „Erlösung”, warten Sie deshalb auch mit der Gassi-Runde noch einige Zeit (15-30 Minuten).
Der Hund soll eine positive Verknüpfung mit dem Allein sein verbinden. Geben Sie ihrem Hund zur Beschäftigung etwas zum Leckeres zum Knabbern (Spielzeug, gefüllter Kong). Ist der Knabberartikel bei Ihrer Rückkehr unberührt, wissen Sie, dass Ihr Hund nach wie vor unter Trennungsangst leidet.
Viele Hunde, gerade aus dem Tierschutz haben Angst vorm eingesperrt, Angst vorm Allein sein – also bitte nicht erzwingen! Ein „Hundesitter” wäre dann eine gelungene Alternative.
3: Der Hund braucht in seinem Zuhause mehrere Liegeplätze, an denen er sich wohl und sicher fühlt. Ideal sind von Laufwegen entfernte Liegeplätze, zum Beispiel in Zimmerecken. Soll er in einem Raum allein bleiben, während er sich sonst in Haus oder Wohnung frei bewegt, ist dies zuvor zu trainieren. Am wohlsten fühlt der Hund sich in dem Raum, in dem Sie die meiste Zeit mit ihm verbringen und in dem er auch sonst seine Ruhezeiten hat.